PZ: Im Langen Gewann sind Vogelarten rar

Im „Langen Gewann“ sind Vogelarten rar

Rundgang mit der Grünen Liste: Bebauung offenbart Mängel.

Auf Bäume und Tiere hat die Verwaltung keine Rücksicht genommen.

MARTINA SCHAEFER  | PFORZHEIM

Dort, wo sich das Baugebiet „Lange Gewann“ mit seinen 124 Bauplätzen auf dem Rodrücken zwischen der Grünewald- und Hercyniastraße entlangzieht, tummelten sich noch vor wenigen Jahren 32 Vogel- und vier Fledermausarten in den wilden Hecken. In das sechs Ar großen Gelände duckten sich alte Holzhäuser aus der Nachkriegszeit. Nur auf einer einzigen Wiese sind noch wenige Apfelbäume stehen geblieben. Die Besitzerin hatte die Bäume mit Bändern markiert, damit sie eine von der Stadt beauftragte Firma nicht einebnete, erinnert sich Wolfgang Vortisch. Der 59-jährige Pforzheimer und seine Frau Isabel haben erlebt, wie die Stadt im Zuge der Umlegung der überwiegend privaten Grundstücke zu Bauland alle alten Bäume roden ließ. 

Bauen bis an die Grenzkante

Auf dem Familiengrundstück, das gegen ein anderes getauscht wurde, stand später keiner der 30 Bäume mehr. Dabei hatte die Stadt alle in dem Gebiet als maßgeblich erkannt. Bloß im Bebauungsplan, der 2014 überarbeitet wurde, spielten sie dann keine Rolle mehr. Warum nun statt Hunderter alter Streuobstbäume lediglich einige neu gepflanzte Zierobstbäumchen etwa am Spielplatz zu finden sind, und warum die Ästhetik des Baugebiets an einem Sammelsurium von Dachformen und unterschiedlichen Häu-serypen sowie der optimalen Auslastung der Baugrundstücke krankt, das versuchte Michael Wolf, Leiter des Stadtplanungsamts, auf einem Rundgang mit Bürgern auf Einladung der Grünen Liste zu erklären.

Anwohner und Baubiologe Jan Diamantopoulos warf dem Fachamt vor, nicht genügend getan zu haben, um Dachbegrünung, einheitliche Dachneigungen und ökologische Vielfalt im Bebauungsplan festzulegen. Die kartierten Bäume hätten sich im Bebauungsplan nicht mehr wiedergefunden. „Anspruch und Realität klaffen stark auseinander“, räumte Wolf ein. Ein Baugebiet wie das „Lange Gewann“ sei Ausdruck eines Kompromisses, um es überhaupt entwickeln zu können. Denn um die Eigentümer ins Boot zu holen und sie nicht bei der Umlegung als Kläger gegen sich zu haben, müsse man abwägen. Die Festlegungen im Bebauungsplan seien die eine, die Kontrolle von Verstößen die andere Seite. Dafür und für die Beratung von Bauherren fehle es an Personal in der Verwaltung. Die Wahl von Zierobst an Spielplätzen, so erklärte Stefan Auer, Leiter des Grünflächenamtes, schütze die  Stadt vor Auseinandersetzungen. Denn das Fallobst normaler Bäume führe wegen erhöhter Wespenstichgefahr zu Klagen von Eltern. 

„Der Gemeinderat hat den Bebauungsplan verabschiedet. Sie weisen zu Recht auf Mängel hin“, erklärte der Biologe Mathias Hilligardt vom Amt für Umweltschutz. Sein Amt hatte vor Jahren darauf bestanden, das Areal als Kaltluftschneise unbebaut zu lassen.

Die Juristin Isabel Hutter-Vortisch kritisierte beim Rundgang außerdem, dass die für die zerstörte Natur umgesetzte Baumpflanzungen und Biotope an anderer Stelle völlig unzureichend seien. Eine der Ausgleichsflächen sei heute gar mit einem Parkplatz bebaut. Dass der Ausgleich niemals die Qualität des Originals erreichen könne, da waren sich alle einig. Für die Parkplatzfläche seien wiederum woanders Biotope angepflanzt worden und das sei rechtens, erklärte Hilligardt.

Was kann man besser machen?

Was man aus all dem lernen könne für die westlich gelegene noch nicht abgeholzte Fläche des „Kurzen Gewanns“, wollte Grünen-Stadtrat Axel Baumbusch wissen. Dort soll es laut Wolf eine Gestaltungsatzung geben und strengere Regeln in Hinblick auf ökologisches Bauen. Und würde die Verwaltung dem Antrag der Grünen Liste auf die Gründung einer Stadtentwicklungsgesellschaft entsprechen, dann hätte sie selbst das Heft in der Hand. Sie könnte alle Grundstücke kaufen, umlegen und die Bedingungen der Bebauung selbst bestimmen. So wie es die Konversionsgesellschaft mit dem Tiergarten erfolgreich umgesetzt hat.

Quelle: PZ 19.10.2020


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