Haushaltsrede 2022/2023 Grüne Liste – Axel Baumbusch

Pforzheim, 06.12.2021

Pforzheim als eine Stadt mit Zukunft

Die Stadt mit Zukunft hat die weltweiten Transformationsprozesse fest im Blick: die Globalisierung, die Fluch und Segen gleichermaßen ist, wie etwa Corona zeigt; den Klimawandel, die Digitalisierung, den demografischen Wandel. Sie reagiert darauf mit einem strategischen Gesamtkonzept. Die Stadt mit Zukunft begreift Krisen und den Wandelprozesse als Chance für eine Richtungsänderung und schöpft Hoffnung aus der Krise, wie der Zukunftsforscher Matthias Horx in seinem jüngsten Buch formuliert.

Unser Dank geht in diesen Krisenzeiten ausdrücklich an alle Beschäftigten der Stadt Pforzheim, die in der aktuellen Situation sehr gefordert sind.

Pforzheim als Stadt mit Zukunft hat alle Bürgerinnen und Bürger im Fokus, v.a. auch die nachkommenden Generationen. Als „jüngste“ Stadt Baden-Württembergs, bezogen auf das Durchschnittsalter, ist Pforzheim hier Spitzenreiter.

Pforzheim als Stadt mit Zukunft braucht zeitnah nachhaltige Investitionskonzepte und kein starres, sinnentleertes Spardiktat. Ein ausgeglichener Haushalt ist fraglos wünschenswert, aber nach unserer Meinung nicht zielführend. Es gilt heute, die richtigen Weichenstellungen im Sinne der 17 Nachhaltigkeitsziele zu setzen: ökologisch, ökonomisch und sozial. Klimaneutralität, Klimaanpassung und Ressourcenschonung, auch bezogen auf eine effiziente Verwaltung, sind gefragt. Damit die Generationen von morgen hier in unserer Stadt ein erfülltes Leben haben. Das geht nicht ohne Investitionen! Lassen Sie mich dazu dafür ein paar zentrale Handlungsfelder nennen.

Pforzheim als Stadt mit Zukunft braucht eine leistungsstarke, ressourceneffiziente Stadtverwaltung als zentrale Schaltstelle. In einer Welt voller Umbrüche und Unwägbarkeiten agiert die Stadtverwaltung der Zukunft hoch flexibel. Sie setzt die politischen Weichenstellungen um. In Zeiten rasanter Digitalisierung sind händische Zeiterfassung, fehlende elektronische Aktenverwaltung, unzureichende digitale Kommunikations- und Projektmanagementtools ein Desaster. Wir brauchen eine schlanke, digital hervorragend aufgestellte Verwaltung.

Einmal im Jahr die Smart City Days auszurufen, ist ungenügend.

Wir brauchen eine agile Verwaltung! Das kostet erst einmal viel Geld, wird sich aber mittelfristig erkennbar auszahlen, wenn wir damit unnötige Aufwände einsparen. Deshalb fordern wir eine Organisationsuntersuchung für das zuständige POA mit anschließender Organisationsentwicklung. Da muss alles auf den Prüfstand, von den trägen Verwaltungsläufen, über millionenschwere Wartungsverträge bis hin zu einem optimierten Beschaffungsmanagement. Das ganze Unternehmen Stadt muss auf den Prüfstand. Eine ganzheitliche Zukunftsvision muss her und keine halbherzigen Konzepte, die von politischen Interessen, Posten und Macht diktiert werden.

Pforzheim als Stadt mit Zukunft profitiert von einem hohen Einkommenssteueraufkommen. Damit werden auch jene Bürgerinnen der Solidargemeinschaft unterstützt, die sozial und finanziell benachteiligt sind. Die Stadt mit Zukunft lockt einkommensstarke jüngere wie ältere Fachkräfte aus dem Mittelstand an. Sie verspricht im Gegenzug attraktiven Wohnraum, optimale Kinder- und Schulbetreuung, ein hochwertiges Freizeit- und Kulturangebot sowie zeitgemäße Wohn- und Lebenskonzepte.  Beispiele: Wohnen im Norden, der Schlachthof, als Areal mit Zukunftspotential, oder innovative Mobilitätskonzepte, die von einer autoaffinen Mehrheit der Entscheidungsträgerinnen im Gemeinderat und in der Stadtverwaltung nicht gefördert werden.

Pforzheim als Stadt mit Zukunft gehört den Fußgängerinnen und Fahrradfahrern. Sie punktet mit einem eng getakteten, gut abgestimmten ÖPNV und attraktiven Konzepten für E-Mobilität. In all diesen Bereichen müssen die zuständigen Dezernate und Fachämter vernetzter kooperieren und ihr Schubladendenken aufgeben. Flache Hierarchien, Teamwork und agiles Arbeiten quer durch alle Verwaltungsebenen hindurch sind gefordert.

Pforzheim als Stadt mit Zukunft punktet mit Sauberkeit. Deshalb fordern wir eine Rekommunalisierung der Straßenreinigung. Und die Stadt der Zukunft vermittelt ein echtes Gefühl von Sicherheit. Auch hier sind innovative Konzepte neben einer starken Polizeipräsenz mit und ohne Pferd gefragt.

Die Flächen für industrielle Gewerbegebiete in Pforzheim sind endlich. Deshalb nochmals der wiederholte Apell, Pforzheim als Dienstleistungs- und Schlafstadt im Speckgürtel von Karlsruhe und Stuttgart zu vermarkten. Hier ist die WSP am Zug.

Eine Vielzahl von zugewanderten Pforzheimern arbeitet unter ihrem Ausbildungsniveau, weil Abschlüsse nicht anerkannt werden oder Zusatzqualifikationen fehlen. Auch hier ist Pforzheim als Stadt mit Zukunft gefordert, zeitnah Abhilfe zu schaffen durch vernetzte Beratungsangebote, um diese Fachkräfte schnellstmöglich in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, mit positiven Folgen für das Steueraufkommen der Stadt.

Zurück zum Thema Wohnraum- und Stadtentwicklung. Wir hinterfragen die Vielzahl der Gutachten im Dezernat II, auf die wir mit Kürzungsanträgen reagieren werden. Und ist ein teurer Kreisverkehr im Bereich Postwiesenstraße/Vogesenallee derzeit wirklich erforderlich? Oder gibt es nicht andere Prioritäten? Etwa die Auflösung des Unteren Enztals. Eine menschenunwürdige Unterkunft, für die PF sich schämen sollte. Wir vermissen eine Strategie der dezentralen Unterbringung der dort lebenden Menschen auf das gesamte Stadtgebiet. Und wo sind eigentlich die Konzepte für die von Abhängung bedrohten Stadtteile in den Tallagen wie etwa Dillweißenstein, um damit der Gefahr weiterer Ghettobildung vorzubeugen.

Wir fordern Mittel in Höhe von 500.000 € jährlich für den Erhalt der beiden Freibäder am Wartberg und in Dillweißenstein als zentrale Orte der Pforzheimer Freizeitlandschaft. Und wir plädieren für eine drastische Erhöhung der Erddeponiegebühren für auswärtige Anlieferer, um am Bauschutttourismus nach Pforzheim entgegenzuwirken.

Im Gegenzug plädieren wir im Sozialbereich für die Förderung des Mädchenbildungszentrums, um jungen Frauen aus patriarchalen Milieus, die in Pforzheim stark vertreten sind, die Chance auf ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Ferner verlangen wir eine Aufstockung der Förderung für die Telefonseelsorge, die in Krisenzeiten wie diesen von unschätzbarer Bedeutung ist.

Für die Kultur fordern wir einen Stopp des „Weiter so“. Pforzheims Kultur hat den demografischen Wandel verpasst. Wir leisten uns einen Kulturhaushalt, mit dem mehrheitlich ein alteingesessenes, bildungsnahes Minderheitenpublikum unterhalten wird. Es fehlt an erkennbaren Überlegungen, wie man Bürger mit Migrationserfahrungen nach ihren Kulturvorstellungen und -wünschen fragt und in die Kulturförderung einbezieht. Stichwort: Partizipation. Das ist aktive Teilgabe und Teilhabe. Stichwort: Diversität, die sich in Programm, Personal und Publikum abbilden muss, wie das vorbildlich im Kommunalen Kino gelebt wir, weshalb wir den Zuschuss an dieses Programmkino um 35.000 € aufstocken wollen. Auch das Thema Jugendkultur ist ein Desiderat. Nur ein verschwindend geringer Bruchteil des 27 Millionen Euro zählenden Kulturetats kommt den jüngeren Generationen zugute. Teilhabegerechtigkeit ade!

Fazit: Sparen um des Sparens willen lehnen wir ab!  Jetzt müssen Aufgabenkritik betrieben und Weichen für Pforzheim als Stadt mit Zukunft und für die künftig hier lebenden Generationen gestellt werden. Dies gelingt nicht mit der Umsetzung einzelner Maßnahmen, sondern nur durch ein mit allen Beteiligten abgestimmtes Maßnahmenbündel. Über allem muss ein ganzheitliches Stadtentwicklungskonzept mit einer klaren Vision, mit strategischen und nachhaltigen Schwerpunktsetzungen stehen, die sich in ihrer Langzeitwirkung gegenseitig befruchten. Ein ehrenamtlich tätiges Stadtparlament kann dies nicht leisten. Dies ist ureigenste Aufgabe der Stadtverwaltung. Diese Forderung der Grünen Liste bleibt seit Jahren unerfüllt. Ein Versäumnis der Verwaltungsspitze, das über mindestens drei Oberbürgermeister zurückreicht.  Die Führungskräfte der Verwaltung müssen dem Gemeinderat und den Bürgern ein Zukunftskonzept vorlegen. Der Gemeinderat kann in den Haushaltsberatungen allenfalls Modifikationen vornehmen. Mehr nicht.

Deshalb unser nachdrücklicher Apell: Haben Sie den Mut, die Krise als Chance zu begreifen und gestalten Sie mit uns gemeinsam Pforzheim als eine Stadt mit Zukunft.

Es gilt das gesprochene Wort


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