PZ: Kulturhauptstadt- Wer trägt Schuld am möglichen Scheitern?

Wer trägt Schuld am möglichen Scheitern?

 Kulturausschuss stimmt über Bewerbung zur Kulturhauptstadt ab.

 Gemeinderäte beklagen zu wenige Informationen und abgesagte Gespräche.

SANDRA PFÄFFLIN | PFORZHEIM

Ein dickes Fragezeichen steht hinter einer möglichen Bewerbung Pforzheims als Kulturhauptstadt. Fotomontage: PZ

„Wir können nicht zulassen, dass der Kleingeist von Epfendorf in Pforzheim regiert.“ Grüne-Liste-Stadtrat Axel Baumbusch an die Adresse von OB Peter Boch, der sich schon früh und ohne Gespräche mit den Fraktionen gegen eine Kulturhauptstadtbewerbung ausgesprochen habe.

 

Ex-SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück lässt sich immer wieder gut zitieren: „Hätte, hätte … Fahrradkette“. „Ja wenn wir vorher gewusst hätten, welches Konzept hinter einer Kulturhauptstadtbewerbung steckt, wie groß die Chancen sind, wäre unsere Entscheidung sicher anders gefallen“, sagt Peter Pfeiffelmann von der Fraktion WIP/Die Linke und schiebt gleich eine Frage an Kulturbürgermeisterin Sibylle Schüssler hinterher: „Warum wurde unser vereinbarter Gesprächstermin so kurzfristig abgesagt?“ Oberbürgermeister Peter Boch habe sie gebeten, von den rechtzeitig im Vorfeld der gestrigen Kulturausschuss-Sitzung geplanten Gesprächen abzusehen, muss Schüssler zugeben. Nein, an diesem Nachmittag ist Sibylle Schüssler nicht zu beneiden: Gerade noch hat sie ein vehementes Plädoyer für die Bewerbung Pforzheims als europäische Kulturhauptstadt, für die wichtige Vision und die Bedeutung für die Weiterentwicklung der Stadt abgelegt – und muss doch nach intensiv geführter Diskussion im Gremium über eine Beilage abstimmen lassen, die sich genau dagegen ausspricht. Eine Beilage, die ausschließlich von OB Boch unterschrieben ist. „Da fühlt man sich verkohlt“, fasst Pfeiffelmann das zusammen, was mancher im Sitzungssaal denken mag.

Einzig die zwei anwesenden Mitglieder der CDU-Fraktion und FDP-Frau Brigitte Römer stehen mannhaft hinter dem OB: Es sei bereits zu spät für eine Bewerbung, die Stadt habe kein Geld und große anderweitige Aufgaben, führt Rolf Constantin ins Feld. Dorothea Luppold hingegen sieht ihre SPD-Fraktion gespalten, ist aber persönlich sicher: „Hier werden Dinge kaputtgeredet aus Angst vor der eigenen Courage.“ Der Weg sei das Ziel, darin ist sie sich mit Axel Baumbusch (Grüne Liste) einig: Er kann so gar nicht verstehen, warum man sich noch nicht einmal für eine – komplett gesponserte – Bewerbung entscheiden kann: „Wir müssen doch erst nach eineinhalb Jahren festgelegt haben, wie viel Geld wir für eine Kulturhauptstadt ausgeben können und wollen“ – falls Pforzheim überhaupt der Gewinner des Auswahlverfahrens ist. Baumbusch sieht die Chance bei etwa 20 Prozent. „Aber hier geht es gar nicht mehr um die Kulturhauptstadt, sondern um Demontage und Zerstörung“, wettert er in Richtung des nicht anwesenden FDP-Fraktionsvorsitzenden Hans-Ulrich Rülke.

Die anschließende Abstimmung zeigt: Selten war der Kulturausschuss so gespalten. Es gibt fünf Stimmen gegen die Kulturhauptstadtbewerbung, vier dafür und zwei Enthaltungen. Gar nicht mehr abstimmen wollen die Gemeinderäte dann über die ebenfalls vom OB unterschriebene Beilage zur Ornamenta 2022. „Ein Ornamentale“ sagt Baumbusch – auf einen Gesamtetat für Vorbereitung und Umsetzung von 500000 Euro zusammengeschrumpft. „Allein die große Ausstellung des Schmuckmuseums im Jubiläumsjahr kostete 450000 Euro“, rechnet Jubiläumskoordinator Gerhard Baral vor. Und Schüssler fürchtet, durch diese Sparversion die Marke Ornamenta für die Zukunft zu verbrennen: Da will sie lieber – bewusst lapidar – von „Kulturprojekten 2022“ sprechen. Doch vielleicht zeigen die Gemeinderäte Mut: Ein interfraktioneller Antrag könnte für eine andere Finanzausstattung sorgen.

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Mehr Mutbürger gefordert

Einmalige Chance nicht verstreichen lassen

Manchmal verstehe ich die Politik nicht , komme mir vor wie klein Lieschen, das nicht eins und eins zusammenzählen kann. Also helfen Sie mir bitte! Pforzheim hat die einmalige Gelegenheit, sich als Kulturhauptstadt 2025 zu bewerben. Quasi einen Masterplan für die Kultur der kommenden Jahre zu entwickeln, der – im Gegensatz zu Gert Hagers Mammutwerk – die Stadt keinen einzigen müden Euro kostet. Und der auch nichts wegnimmt – weder von zu schaffenden Kita-Plätzen, noch von zu renovierenden Bädern. Denn der Sponsor, der der Goldstadt dieses großzügige Geschenk macht, wird keine Pflichtaufgaben der Kommune übernehmen. Aber was bringt das überhaupt – die Bewerbung als Kulturhauptstadt? Viel, selbst wenn Pforzheim den Zuschlag gar nicht erhält. Denn die Bewerbung eröffnet die Chance, mit Expertenhilfe die Kultur der Goldstadt neu zu überdenken, Ziele und Pläne zu entwickeln, wie möglichst viele Menschen künftig an Kultur teilhaben können, wie gerade auch eine Innenstadt positiv belebt werden kann. Und vielleicht entstehen so konkrete Projekte, für die sich wiederum Sponsoren begeistern lassen.

Was ist also falsch an dieser Idee? Oder besser formuliert: Wie kann man sich eine solche Chance entgehen lassen? Helfen Sie mir bei der Antwort, geschätzte Kommunalpolitiker!

Sandra Pfäfflin – PZ-Redakteurin

Quelle: Pforzheimer Zeitung

 

 


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