PZ: Gute Chancen für Etat dank Steuer-Kompromiss

Gute Chancen für Etat dank Steuer-Kompromiss

◆ Stimmungsbild ergibt elf Ja und eine Enthaltung für geringere Steuersenkung.

◆ Dafür ist etwas mehr Geld für Bäder drin – und neue Stellen wollen auch fast alle.

MAREK KLIMANSKI | PFORZHEIM

Es waren ungewöhnliche 25 Minuten im Ratssaal – und sie fingen schon damit an, dass es nur 15 Minuten hätten sein sollen. Für diese Zeitspanne kündigte OB Peter Boch eine Sitzungsunterbrechung an, um den wohl vorentscheidenden Kompromiss für einen mehrheitsfähigen Doppelhaushalt 2019/20 ausverhandeln zu können: eine Senkung der Gewerbesteuer um fünf Punkte. Was folgte, war rege Betriebsamkeit und Grüppchenbildung.

Bis dahin schienen die Fronten verhärtet: Die einen (CDU, FDP/FW, AfD) hatten eine Zustimmung zum Etat an die Senkung der Gewerbesteuer um zehn Punkte geknüpft, andere (SPD, WiP/Linke, Grüne Liste, Bündnisgrüne) genau an deren Beibehaltung. Es folgten erste Gespräche von CDU und Grüner Liste, ob man sich auf eine ursprünglich von Bündnis 90/Grüne vorgeschlagene Absenkung um fünf Punkte einigen könnte. Diese hatte schließlich Grüne-Liste-Sprecher Axel Baumbusch als Kompromiss beantragt. Zuvor hatte Dorothea Luppold (SPD) den Steuersenkungsbefürwortern Klientelpolitik vorgehalten, um sich im Gegenzug von Florentin Goldmann (CDU) den Vorwurf eines „fast ideologischen“ Redebeitrags einzuhandeln. Die Höhe des Steuersatzes sei durchaus Teil der Standortentscheidung von Unternehmen, so Goldmann. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Ralf Fuhrmann stellte dies wie zuvor Baumbusch in Abrede: Bei einem Unternehmensgewinn von einer Million Euro gehe es nur um wenige Tausend Euro. Den Firmen sei eine auch dank ihrer Steuern funktionierende Infrastruktur des Standorts mit Kitas, Schulen und Bädern wichtiger.

Mit ausschlaggebend dafür, dass sich WiP/Linke und die SPD Baumbuschs Kompromiss-Idee anschließen konnten, war dessen Mahnung: Fällt der Haushalt durch, klappt es auf Monate nicht mit den so dringend benötigten neuen Mitarbeitern. Hinzu kam Bewegung beim Thema Bäder. So konnte eine Million Euro in der Kasse verbleiben, mit der die rasche Realisierung eines neuen Huchenfelder Stadtteilbads möglich ist. Ein Aspekt, der auch Claus Spohn (Linke) wichtig war: Es sei höchste Zeit, dass sich da etwas tue, und so könne auch er als lange überzeugter Befürworter eines Innenstadtbads mittlerweile einen Kompromiss in Richtung Wartberg mitgehen. Erfreulicherweise hätten sich alle bewegt, lobte auch Fuhrmann.

Dennoch hatten SPD und WiP/Linke noch Beratungsbedarf in den Fraktionen. Deshalb ließ Boch über den in vielen Einzelgesprächen ausgehandelten Kompromiss – nachdem die Senkung um zehn Punkte bei Stimmengleichheit gescheitert war – nur in einem Stimmungsbild abstimmen. Das aber war mit elf Ja-Stimmen und einer Enthaltung (Dorothea Luppold) eindeutig.

Kommentar

Handlungsfähig statt zerstritten

Gemeinderat zeigt am Ende der Etatberatung Wille zu Lösungen

Hut ab. Die gestrige Weichenstellung zur Gewerbesteuer war eine beeindruckende Teamleistung des ganzen Gemeinderats – die bündnisgrüne Stadträtin Uta Golderer brachte es auf den Punkt, als sie ihre eigene Zustimmung trotz Vorbehalten begründete: Dem Gemeinderat werde vielfach der Vorwurf gemacht, völlig zerstritten und uneins zu sein und sich somit gegenseitig zu blockieren, was zu Lähmung, Stillstand, teilweise Rückschritt in der Stadt führe. Sie wolle dem entgegenwirken. Zu diesem Kompromiss haben nun alle ein bisschen beigetragen, und deshalb ist es auch für alle ratsam, dafür dann auch die Hand zu heben. Das mag bei der Verabschiedung des Haushalts schon wieder anders aussehen, wenn sich einzelne Frakionen oder Gruppierungen in der Summe aller Entscheidungen, verkörpert durch Einnahmen und Ausgaben in den kommenden zwei Jahren, dann doch zu wenig wiederfinden, um das Gesamtpaket mittragen zu können. Insbesondere bei der Bäderfrage liegen ja zunächst auch nur Einzelstücke eines vielleicht trag- oder zumindest mehrheitsfähigen Kompromisses auf dem Tisch. Der kann nicht darin bestehen, dass man sich in der Mitte trifft – eine Hälfte eines großen Bades auf dem Wartberg, eine weitere große Hälfte dort, wo heute das Emma-Jaeger-Bad ist, wird nicht gehen. Weil es quasi die Fortschreibung der heutigen, nicht mehr bezahlbaren Situation ist. Aber der jeweils anderen Seite möglichst viel Machbares einzuräumen: Das wird, das muss drin sein. So wären stabile Mehrheiten auch für die Verabschiedung des Bäderkonzepts drin. Immerhin: Der Wille ist greifbar, überhaupt zu einer Lösung zu kommen. Stadträte wie Axel Baumbusch, Marianne Engeser, Claus Spohn, Ralf Fuhrmann und eben Uta Golderer haben mit ihren Wortmeldungen den Boden bereitet, und die anderen haben sich nicht quergestellt. Beides ist aller Ehren wert und mehr, als man hoffen durfte. Tatsächlich hat auch OB Boch zum Konsens beigetragen, der überwiegend mit Offenheit und durchweg mit dem ihm eigenen Charme seine ersten Pforzheimer Haushaltsberatungen leitete. Und im Übrigen einen verwaltungstechnisch sehr sauberen Haushalt vorgelegt hatte, der durchdacht und ausgearbeitet wirkte und an keiner Stelle nach der berühmten heißen Nadel aussah. Politisch war die Vorlage sicher als eher konservativ zu bezeichnen. Die Beratungen haben daran das eine oder andere korrigiert. Der Etat hat zu Recht die Chance auf eine stabile Mehrheit.                          Marek Klimanski

Quelle: Pforzheimer Zeitung


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